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Die zauberhafte Welt der Cryptocorynen Teil 3



„Allem Anfang liegt ein Zauber inne!“ Hermann Hesse

Und der Anfang war gemacht. Bald waren die Zoofachgeschäfte der näheren Umgebung abgegrast und das Bedürfnis nach immer mehr, konnte nur durch den Kontakt mit anderen Enthusiasten befriedigt werden.

Wenn drei Deutsche sich treffen, gründen sie einen Verein. Ein nicht ganz unzutreffendes Klischee.

Mein Vater vermittelte mir die Kontaktdaten zum örtlichen Verein der Aquarianer und eines schönen Abends stand ich in der Tür, des im Kreiskulturhaus gemieteten Vereinsraumes und erblickte einen in kleine Grüppchen aufgeteilten und vielfältige Gespräche vertieften Männerbund.

Die einen betrachteten bunte Fische im Plastikbeutel. Andere blätterten in der neuesten Fachzeitschrift und wieder andere besahen sich andachtsvoll, eine bis dato unbekannte Pflanze in einer Kunststoffschale. Die ganze Szenerie wurde, wie damals üblich, grell mit Neonröhren bestrahlt.

Wie es aussah, war ich der Jüngste, wurde freundlich aufgenommen und natürlich gleich kopfnickend bestaunt, ob meiner seltenen Spezialisierung auf Cryptocorynen und es dauerte nicht lange, bis einige Vereinsfreunde heißblütig, von ihren absoluten Raritäten berichteten, was sofort meine Neugierde und Anhänglichkeit hervorrief.

Allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich wusste noch nichts von den Gepflogenheiten und Angewohnheiten, den Spitzfindigkeiten hinsichtlicher Geschäftstätigkeiten, bei denen man zwar mit seinem Kapital prahlt, es jedoch nicht verschwendet und nur gegen Gleichwertiges oder noch Besseres in die Waagschale wirft.

Nun ich war jung genug, meine Ungeduld auf lange Zeit zelebrieren zu können und entwickelte mit der Zeit ein rhetorisches Überredungstalent, dem eine unschlagbar niedliche und sympathische Visage großen Nachdruck verlieh, so dass ich an so manches Ziel herankam.

Damals, also Mitte der 70iger Jahre, hörte ich zum ersten Mal solche Namen wie: Cryptocoryne pondederifolia und Anubias, die gerade erst über Westkontakte die Terra incognita unserer Republik betreten hatten und gehütet wurden wie Gold.

Zu gleichen Zeit und es passte gut zusammen mit den Pflanzen, hielt und züchtete ich verschiedene Guramies, wie den Dicklippigen Fadenfisch, den Blauen Fadenfisch und den Zwergfadenfisch, die alle prächtig gediehen.

In diesem Zusammenhang öffneten sich so manche Türen älterer Vereinssemester, aus deren langjährigen Erfahrungsschatz ich schöpfen konnte, wie der Fellache in der Wüste und befruchtete meine Träume.

Die erste der großen Fragen, die es zu beantworten galt: Cryptocoryne beckettii oder Cryptocoryne wendtii- welche war welche?Jeder hatte seine eigene Meinung dazu und keiner Literatur.

In meiner, mittlerweile neuen Vitrine mit beträchtlichem Ausmaß, kultivierte ich einige wenige Pflanzen, die sich voneinander unterschieden. Die Töpfe hatte ich ganz unsachgemäß in Blumenerde versenkt, die durch das stände feucht halten und wenig Lüften, völlig durchnässt war und nicht gerade gut roch. Wie auch immer. Eines Tages entdeckte ich inmitten eines dieser wunderlichen Kräuter einen kleinen Blütenschlauch mit einer schönen, braunen Fahne. Der Öffnung entströmte ein etwas fauliger Geruch nach As. Aber was machte das schon!

Völlig euphorisch klaubte ich den Topf aus seinem Behältnis und stürmte laut schnatternd durch das ganze Haus, auf der Suche nach den Eltern. Kopf nickend bestätigte mir mein Vater den nicht zu übersehenden Erfolg meiner gärtnerischen Fähigkeiten, während meine Mutter mit eher verständnislosem Gesichtsausdruck, den Grund meiner Überdrehtheit nicht nachvollziehen konnte.

Jetzt war ich erst richtig angestachelt.

Bei der nächsten Vereinsversammlung konnte ich die immer noch blühende Pflanze, gut verwahrt in einer kleinen Kunststoffkiste präsentieren und allgemeine Anerkennung ernten. Dieser Blondschopf hatte es tatsächlich geschafft!

Während der Veranstaltung wurde ein Ausflug besprochen, der mich elektrisierte. Das Ziel: Die Wasserpflanzengärtnerei Hans Barth, in Dessau!...



Intermezzo

Ein bisschen Botanik:

Der Name Cryptocoryne, setzt sich aus den beiden griechischen Wörtern: kryptos( verborgen) und koryne( Keule) zusammen und nimmt Bezug auf den, im Kessel verborgenen, aronstabtypischen, kolbenförmigen Blütenapparat. Die gesamte Blüte nennt man Spatha. Sie ist in folgende Segmente aufgeteilt. (von unten nach oben):

Stiel, Kessel, Röhre, Schlund, ggf. mit Schlundring und Blütenspreite, auch Fahne genannt. Der eigentliche Blütenapparat ist folgendermaßen eingeteilt. (von unten nach oben): Fruchtblatt, Narben, Nebenkörper, Kolben, Staubblatt und Appendix. (Die Detailangaben sind entnommen aus: Keine Probleme mit Cryptocoryenen. Heinz Schöpfel.Urania- Verlag Leipzig… 1. Auflage. 1975 und : Das große Buch der Wasserpflanzen. Helmut Mühlberg. Edition Leipzig. 1980.)

Anhand sowohl der Gestalt, als auch der Funktionalität kann man erkennen, mit welch hochentwickelter Pflanzenfamilie wir es bei den Cryptocorynen zu tun haben und dies schon allein aus dem Umstand, dass die Befruchtungsorgane und deren Funktionieren darauf ausgelegt sind, eine Selbstbefruchtung auszuschließen und natürlich auch an der Komplexität des Mechanismus.

Öffnet sich die Blütenspreite, entströmt ihr ein, mehr oder weniger betörender Duft, der von Art zu Art entweder frucht- oder asartig sein kann. Allein letzteres war Grund genug für mich, wieder ein Auge auf Cryptocorynen zu werfen, hat mich so ein „ Duftumstand“ doch schon früher und das viel intensiver, bei meinen geliebten Stapelien fasziniert. Auch alles Individualisten.

Diesem Duft folgen winzige Insekten. Sie kriechen von oben in die Röhre, überwinden am oberen Ende des Kessels, die sich nach Innen öffnende Klappe, die sich hinter ihnen gleich wieder schließt, überwinden die noch unreifen Staubgefäße, die noch keinen Pollen abgeben, kommen, selbst mit schleimigen Pollen behaftet und emsig die vermeintliche Nahrungsquelle suchend, damit an die Narben und befruchten sie so.

Es dauert eine Weile, bis die Pflanze die erfolgreiche Befruchtung „registriert“ und die Pollenreife „ angefordert“ hat. Solange bleibt die Klappe geschlossen. Ist der Pollen freigesetzt, erschlafft die Klappe und das Insekt kann nun seinerseits mit frischem Pollen behaftet, eine neue Blüte aufsuchen.

Eine interessante Fußnote dies: Wer schon einmal in den Besitz des sogenannten Eidechswurz- Sauromatum, gekommen ist und dessen Blüte erlebt hat weiß, dass die Spatha, der einer Cryptocoryne nicht unähnlich ist. Auch ihr entströmt ein, sagen wir mal phrenetischer Gestank nach Kuhdung. Wirklich spannend aber wird es, wenn man den Kessel aufschneidet und hinein riecht. Dort an den Narben hat sich dieser Gestank in süßliches Fruchtaroma verwandelt. Es bleibt ein interessantes Betätigungsfeld herauszufinden, ob damit Insekten zu unterschiedlichen Zeiten angelockt werden

sollen, die unterschiedliche Nahrunsgbedürfnisse haben und sie so zielgenau, an die gerade reifen Geschlechtsorgane führen. Ob es sich bei den Cryptocorynen genau so verhält, kann ich nicht sagen. Meine Nase ist zu groß!

Wem das zu abstrus erscheint, sei an die afrikanischen Akazien erinnert, die Gift in die Blätter pumpen, sobald sie beäst werden. Diesen Giftduft geben sie mit dem Wind an andere Akazien weiter. Darum äsen Giraffen immer gegen den Wind.

Ich könnte mir durchaus Bestäubungsversuche vorstellen, wenn man die unterschiedlichen Reifestadien beachtet und werde sicherlich zum gegebenen Zeitpunkt Versuche dazu machen.

…Seit über einer Woche plappert der Bengel von nichts anderem, als vom bevorstehenden Ausflug ins Paradies der Wasserpflanzenfreunde und die Mutter hat sich schon mehr als einmal die Haare gerauft und sogar schon das Geschirrhandtuch nach ihm geworfen.

Einen Wehrmustropfen hatte die Sache aber doch noch. Woher das nötige Kleingeld beziehen, ohne das ein Erwerb unmöglich ist. Die Sommersprossen und das niedliche Lächeln des Jungen, werden den Händler wohl nicht überzeugen.

Drei Möglichkeiten. Der Uropa im Altersheim, die Großeltern in Löderburg und die ständig klammen Eltern, die vier Mäuler stopfen mussten, neben den Ihrigen.

Der Uropa gab wie immer bei einem Besuch, 5 Mark. Die Großeltern nach kilometerlanger Gardienenpredigt, 10 Mark: „Junge, wir haben auch nicht viel Geld. Denk daran, dass wir in der Hamburger Feuersnacht alles verloren haben!“ - die Oma und die Eltern auch zehn, nachdem der Fuchs versichert hatte, von den anderen nischt bekommen zu haben. Die späteren Konsequenzen seiner Lüge wird er mannhaft tragen. 25 Mark. Was für ein Schatz!

Der große Tag. Eine Gruppe von etwa 20 Männern und ein Steppke verteilten sich in den Trabbis und Wartburgs und setzte sich in Richtung Dessau in Bewegung. Nach einer guten Dreiviertelstunde trudelte die Kolonne am Zielort ein.

Von außen sah man Gewächshauser, Foliezelte und einiges in diversen Teichen. Wir gingen hinein und wurden von einem schlacksigen, ziemlich großen Herrn begrüßt, den alle andächtig grüßten. Herr Hans Barth persöhnlich. Eine Legende, dem die Aquarienfachwelt so einiges, wie zum Beispiel viele Echinodoruszüchtungen zu verdanken hat. Er führte uns in sein Reich.

Uns schwappte schwere Tropenluft entgegen. Die Brille war mit einem Schlag nass. Überall befanden sich betonierte Becken, die mit einer Unzahl von Pflanzen bestückt waren und alle in Reih und Glied fein säuberlich geordnet, wie es sich für eine ordentliche Gärtnerei gehört. Im Wasser schwammen große Schwärme an Zierfischen.

Ich schnüffelte etwas abseits der Gruppe, voller Eifer an den Becken herum und stieß auf etwas Überirdisches. Eine blaublühende Seerose. Ich steckte meine Nase in den gelben Schlund und wurde augenblicklich in den Himmel geworfen, in dem ich, einem Faun gleich, jauchzend herum tollte. So einen betörenden Duft hatte ich noch nie gerochen! Ich befand mich im heiligen Graal meiner Sehnsüchte.