Zum Geleit
Helge Donath, ein rastloser Dichter.
Ich lese ihn. Wenn ich mit ihm reden will, muss ich zuhören. Es ging mir schon mit den
„Zeitgebeinen“, seinem ersten Lyrikband, so. Bevor ich meine Gedanken formulierte, nickte
er zustimmend, winkte ab und zitierte aus dem nächsten und übernächsten Band, den er
schon im Kopf hatte.
Der „Märchenmühle“ werden „Antimima“ und „Himmel der Entstellten“ folgen. Bücher, die
es so noch nicht gibt. Das ist kein Größenwahn, sagt er. Nur Wahn aus wahnwitzigen
Realitäten. Und sehr nüchtern. Sehr.
Donath ist ein Vulkan. Aus der Tiefe schleudert er mir seine Wahrheiten zu. Poesie
ergießt sich wie Lava und reißt mein Herz mit.
Als es sich mühte, den Feuern standzuhalten, brannte es schon. Leben und brennen,
zerfallen und aufsteigen aus glühender Asche.
Die Götter sind Zeugen unserer Leiden. Vielleicht auch die Ursache.
Wenn Liebe in surreale Welten stürzt, reißt der Wahnsinn seinen Rachen auf. Leben und
Tod sind keine Protagonisten. Leben ist Tod, schreit es mir entgegen.
Am Ende erst erfahren wir diese Wahrheit.
Liebe peitscht unsere Sehnsucht. Wenn wir tränenlos und stumm geworden, verstehen wir,
dass wir sie töteten, um zu überleben.
Das Herz rebelliert gegen das Morden. Aus Blut und Schweiß steigen die Gefühle, um dem
Gemetzel zu entkommen.
Wo ist Phönix, der aus ästhetisch sauberer Asche kam? Er weiß nichts von unseren Säften.
Urschleim füllt unsere Münder. Küssen und zeugen, der ewige Schmerz.
Donath schreibt gnadenlos. So lebt er auch. Er sieht das Ende. Das ist sein Beruf.
Täglich hilft er Menschen, für immer Abschied voneinander zu nehmen.
Was bleibt, wenn man gegangen ist? Das Wichtige, wofür wir uns zerrissen haben, ist ohne
uns bedeutungslos. Der Körper zerfällt und wird entsorgt.
Skurrile und ergreifende Begegnungen mit dem Tod lassen Tiefe ahnen. Wer sie nicht
aushält, nennt sie Abgrund und verdeckt sie, wenn er kann.
Donath kann nicht. Er lebt am und überm Abgrund. Die Poesie rettet ihn. Sie bricht in
starken Bildern aus ihm heraus.
Ein romantischer Surrealist mit magischer Kraft.
Mit seiner Lyrik wischt er das höfliche Lügen vom Tisch. Seine Gedichte kommen aus dem
Vakuum und stoßen ihn zurück ins Nichts. Verzweiflung.
Benn und Bruckner halten ihn.
Im Rausch des Sinnlichen wird er neu geboren und fordert die Götter heraus.
Dorothea Iser.